Lumen Tenebris | Konzept

Zisterzienserabtei »Unserer lieben Frau«



Abb.: »Denn der Mächtige hat
Großes an mir getan …«;
Zisterzienserabtei, Himmerod



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»Denn der Mächtige hat Großes an mir getan …«

Lk 1, 49

Der Zisterzienserorden

Vor ca. 900 Jahren begann die Geschichte des Zisterzienserordens und seiner Ausbreitung über ganz Europa. Noch einige Jahrzehnte vor der Entstehung der großen gotischen Kathedralen in Frankreich entwickelten die Zisterzienser eine durch strenge Einfachheit und Schmucklosigkeit geprägte Architektur als Ausdruck ihrer Spiritualität.

Es war eine Zeit des Umbruchs und des Neubeginns auf allen Ebenen, in die die Gründung des Ordens fiel. Die Jahrtausendwende, zu der man den Weltuntergang erwartet hatte, der durch Hungersnöte und Seuchen angekündigt zu sein schien, war überstanden. Nach dem ereignislos und katastrophenlos vorübergegangenen Jahr 1000 begann eine Zeit des demographischen und wirtschaftlichen Aufschwungs, das Zeitalter des Hochfeudalismus. Das geschlossene Herrschaftsgefüge des fast ganz Europa umfassenden Frankenreichs, begründet durch das Geschlecht der Karolinger, war nach vielen Teilungen vollständig zerbrochen. Autonomiebestrebungen der Pfalzen, Herzogtümer und Grafschaften hatten das Reich zerfallen lassen.

Auch die Kirche, zunächst Stütze des Königs, wollte sich nun von dessen Einflussnahme befreien. Die gregorianische Kirchenreform, die ihren Anfang auf der Synode von Sutri 1046 nahm, verfolgte das Ziel der Freiheit der Kirche. Der Investiturstreit zwischen sacerdotium und regnum, päpstlicher und königlicher Gewalt, entbrannte. Die monastischen Reformbewegungen des 10. und 11. Jahrhunderts, insbesondere die von Cluny ausgehende, hatten ein geistliches Klima geschaffen, das die Kirchenreformbemühungen begünstigte, die ihrerseits den Nährboden für die Entstehung neuer Orden gegen Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts bildeten, zu denen der Zisterzienserorden gehörte.

Robert, Abt des Benediktinerklosters Molesme, unzufrieden mit mangelnder Strenge und Ernsthaftigkeit des dortigen monastischen Lebens, verließ seine Abtei, um im Jahre 1098 das spätere Kloster Cîteaux zu gründen, den Geburtsort des Zisterzienserordens. Weltentsagung und Askese waren die Ziele des neuen Ordens, der seine Form durch die Nachfolger Roberts, Alberich und vor allem Stephan Harding, erhielt, der der streng zu befolgenden Benediktsregel eine eigene Ordensverfassung, die Charta Caritatis, hinzufügte.

Von überragender Bedeutung nicht nur für die Zisterzienser, sondern für die gesamte Kirche seiner Zeit war Bernhard von Clairvaux, der die Ausbreitung des Ordens über ganz Europa vorantrieb. Die strenge monastische Lebensform, die Hinwendung zu Armut, Arbeit und Einsamkeit, übte eine große Anziehungskraft auf den Adel und das mittelalterliche Rittertum aus, die sich über ein Jahrhundert lang halten konnte. So erreichte das mittelalterliche Mönchtum mit der Hochblüte der Zisterzienserklöster seinen Gipfel. Zurückgezogenheit von jedweder Siedlung und Verpflichtung zur Autarkie waren Vorgaben Benedikts von Nursia, die die Zisterzienser nicht nur befolgten, sondern zum Anlass der Schaffung eines ausgeklügelten Wirtschaftssystem nahmen, so dass die Klöster zu wichtigen landwirtschaftlichen und wirtschaftlichen Zentren wurden. Ihre ursprüngliche Stadtfeindlichkeit mussten die Zisterzienser revidieren. Sie beteiligten sich am städtischen Markthandel, erwarben dort Haus- und Grundbesitz und errichteten eigene Studienhäuser. Jedoch sahen sie gerade durch die Städte und die dort entstehenden Orden, die Franziskaner und Dominikaner, die für die Stadtbewohner attraktiver waren als die in der Einöde siedelnden Zisterzienser, ihre Position zunehmend gefährdet. Dennoch prägten sie auch noch im 13. Jahrhundert durch ihre fortschrittliche Architektur die christliche Welt.

Die Zisterzienserabtei
»Unserer lieben Frau«, Himmerod

Bernhard von Clairvaux suchte 1135 in Begleitung von Erzbischof Albero von Montreuil (1132 – 1152) einen geeigneten Klosterplatz im Salmtal (S.O.-Eifel) und nannte ihn angesichts seiner Lage spontan »Claustrum Beatae Mariae Virginis«, nach mittellateinischem Sprachgebrauch »Marienschoß«, d.i. »Ort der Menschwerdung«. Albero hielt diesen Namen in der Stiftungsurkunde (1138) fest »aus Liebe und Verehrung für Bernhard« und seine erste Gründung in Deutschland. Seit dem Ende des 13. Jh. setzte sich der heutige Name »Himmerod« durch. Er geht zurück auf das Rodungsland des Haymo oder Hemmo, dem heutigen Altenhof des Klosters.
1134 verlassen 12 Mönche unter Abt Randulf (1134–1168) Clairvaux. Sie zogen über Metz-Trier (Bernhardshof gegenüber der Liebfrauenkirche) in das Kylltal, wo ihnen Erzbischof Albero zu Winterbach bei Kordel einen Besitz geschenkt hatte. Die enge Örtlichkeit bot aber für ein auf Eigenbetrieb eingestelltes Zisterzienserkloster nicht genügend Ausdehnung. Die Mönche siedelten daher 1135 zunächst auf den Altenhof und dann in das Salmtal zwischen den Dörfern Eisenschmitt und Großlittgen über. Gelegentlich der Einweihung des ersten schlichten Holzklosters stellte Erzbischof Albero 1138 die Stiftungsurkunde aus. Seine reichen Schenkungen ermöglichten den Bau einer weiträumigen, steinernen Klosteranlage.

Neben einem gewissen Modetrend, der für mittelalterliche Klosterarchitektur wieder größeres Interesse hervorgerufen hat – ob für die prächtigen Benediktinerklöster oder die Zisterzienserklöster in ihrer Kargheit–, gibt es andere Gründe, weshalb die Welt der Zisterzienser bis heute einen großen Reiz auf ein breites Publikum ausübt: Verkörpert sie doch den Wert des Landlebens im Gegensatz zu den Problemen des modernen Großstadtlebens und verwirklicht dabei den Traum von einer geradezu ökologischen Eigenbewirtschaftung, die zu den durch Arbeitsteilung geprägten heutigen Produktionsweisen im Kontrast steht.

Daher sind die Zisterzienserklöster heute Sinnbild für eine Utopie des Mittelalters, die sich an die grundlegenden Fragen des Lebens erinnert. Und es ist die Übereinstimmung von Ethik und Ästhetik, die die Faszination der zisterziensischen Bauwerke ausmacht.

Das Magnificat

Der Zisterzienserorden ist geprägt von einer hohen Wertschätzung der Jungfrau Maria. Alle, vom Orden gegründeten Klosteranlagen und Kirchen sind ihr geweiht, so auch die Zisterzienserabtei »Unserer Lieben Frau«, Himmerod.
Für viele ist Maria eine große Gestalt ihres Glaubens, andere schrecken zurück und sind unsicher. Die Marienfrömmigkeit in ihrer überbordenen liturgischen Fülle fasziniert, ist aber auch vielen schwer verständlich. Obwohl Martin Luther durchaus eine Marienfrömmigkeit pflegte ist die Mariologie , in der Ökumene ein heißes Eisen. Sie erscheint zuweilen selbst überzeugten Katholiken schwer verständlich. Freilich sind es nicht selten Vorurteile und mangelnde Kenntnisse, die einen Zugang erschweren. Trotz aller Differenzen wird zu oft übersehen, dass die Bibel selbst entscheidende Aspekte vorträgt, die eine gemeinsame Basis für die Sicht Mariens bieten. Eine Spitzenstellung nimmt hierbei die Erzählung vom Besuch Marias bei Elisabeth mit dem Magnificat ein.

Von allen Evangelisten schenkt Lukas Maria in seinem Doppelwerk die größte Beachtung. Zwar verschweigt er nicht die Schwierigkeiten der ganzen Familie, Jesus zu verstehen (Lk 8,19 ff.). Aber er räumt Maria, die nach Ostern zur betenden Gemeinde zählt (Apg 1, 14), eine Ehrenstellung ein: Er nennt sie »Begnadete« (1, 28) und »Magd des Herrn« (1,34.38); Elisabeth nennt sie »Mutter meines Herrn« (1, 43). Der Besuch Marias bei Elisabeth ist der Mittelpunkt des gesamten Kindheitsevangeliums. Lukas hat es so gestaltet, dass es zu einem erzählenden Christusbekenntnis wird. Die Schnittstelle ist der Besuch Marias bei Elisabeth. Dass die Mutter Jesu sich auf den Weg macht, ist nicht nur Ausdruck des Respekts der Jugend vor dem Alter. Es ist schon ein Hinweis darauf, dass Jesus, der Sohn Gottes, nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen: Er wartet nicht, bis die Menschen zu ihm kommen, sondern macht sich selbst auf den Weg, um den Menschen Gottes Heil zu verkünden.

Im ganzen Kindheitsevangelium sind es Hymnen, die den theologischen Sinn der Geschichte entdecken lassen. Das wichtigste Lied ist das Gloria der Engel auf dem Hirtenfeld zu Bethlehem: »Ehre sei Gott in der Höhe …«. Aber vom Benedictus des Zacharias (1, 68–79: »Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels …«) bis zum Nunc dimittis des greisen Simeon (2, 29–32: »Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden …«) gibt es ein starkes menschliches Echo dieses himmlischen Lobgesanges. Das Magnificat bildet den Mittelpunkt. Die Erzählung vom Besuch Marias bei Elisabeth läuft auf dieses Danklied zu. Es ist tief in den Gebeten des Alten Testaments verwurzelt. Im Ganzen und in vielen Einzelheiten knüpft das Magnificat an das Danklied der Hanna (2 Sam 2, 1–12) für Samuel an. Das ist kein Zufall. Im ganzen Kindheitsevangelium schöpft Lukas aus den messianischen Traditionen Israels. Der Priester und Prophet Samuel verweist auf Jesus, den endgültigen Propheten und endgültigen Retter.



»Denn der Mächtige hat Großes an mir getan …«

Das Geheimnis der Geburt Jesu, das mit dem Geheimnis der Jungfräulichkeit Mariens verbunden ist, verweist auf das Geheimnis der Erwählung, der Führung und Rettung des Volkes Israel durch Gott. Maria antwortet auf die ihr entgegengebrachte Seligpreisung mit dem Verweis auf den Urheber allen Heils- Gott, der schlichtweg heilig ist. Dieser Hymnus selbst, der nach seinem lateinischen Anfang »Magnificat« (»Gepriesen«) genannt wird, besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste Teil ist ein persönlich gehaltener Lobpreis Marias für das, was ihr geschehen ist; in den Versen 46–49 finden sich immer wieder betonte Formen von »Ich«; der zweite Teil ordnet dies dankbar in das gnädige Handeln Gottes an seinem ganzen Volk ein (1, 50–55). Hier kann man noch einmal einen kleinen Unterschied machen. Zuerst wird von Gottes Heilstaten an den Kleinen und Benachteiligten gesprochen (V. 51–53), dann in einem etwas allgemeineren Sinn von seiner barmherzigen Treue (V. 54–55). Beide Hauptteile sind miteinander verbunden. Die Verse 49–50 sowie 51–53 betonen Gottes Barmherzigkeit bzw. die Eigenarten seines Handelns. Die Verse 46b–48 und 54–55 entsprechen dann einander als Auf- und Abgesang des Lobpreises. Deutlich wird auf alle Fälle, dass sich der Hymnus vom autobiographischen Lobpreis Gottes weg zu einem allgemeinen heilsgeschichtlichen Lobpreis entwickelt. Was Maria widerfährt, gehört in den Zusammenhang der ganzen Heilsgeschichte. Das Marienlob ist das Lob des barmherzigen Gottes. Wer Maria ehrt, wird von ihr selbst zur größeren Ehre Gottes geführt.

Das Magnificat ist in gebundener Rede formuliert. Es überwiegen kurze Hauptsätze, jedoch wird der Text hauptsächlich von parallelisierten (V. 46b.47) und antithetisch gegenübergestellten (V. 52a.b; 53a.b) Formulierungen geprägt. Sprachgestalt und Wortwahl orientieren sich an alttestamentlichen Vorbildern. Im griechischen Text wird die (im Deutschen unbekannte) Zeitform des Aoristes verwendet. Der Aorist ist eine Zeitform der Vergangenheit. Sie blickt zurück auf ein geschichtliches Ereignis. Beim Magnificat geht es im ersten Teil um die Berufung Marias und die Empfängnis Jesu. Deshalb formuliert die deutsche Übersetzung im Perfekt. Im zweiten Teil wechselt das Deutsche aber ins Präsens, während das Griechische beim Aorist bleibt. Das ist sachlich richtig. Denn der Aorist kann auch besagen, dass Gott so, wie er in der Vergangenheit – hier: in der Geschichte Israels – gehandelt hat, immer handeln wird, weil es seinem Wesen entspricht. Maria ordnet, was ihr widerfahren ist und die Jesusgeschichte eröffnet, in die Heilsgeschichte Gottes mit Israel ein, als eine, die von Gottes Schauen betroffen ist (V. 48a). Sie hat die Eigenart Gottes erkannt, von dem sie Heil erfahren hat. Sie erkennt und erfährt ihn als »Retter« (V. 47), der sich mit seinem machvollen und rettenden Handeln (V. 51) den Kleinen und Unterdrückten zuwendet (V. 48). Diesen Gott durfte Israel in seiner gesamten Geschichte mit Jahwe erfahren, wie der Verweis auf Abraham betont (V. 55). Weil Gott den Menschen treu bleibt, ist er zu loben. Wie treu er ist und wie sehr er hilft, wird Jesus zeigen. Der Evangelist reflektiert und deutet daher das Handeln Gottes an Maria und Elisabeth, welches vom Engel verkündet wurde. Auf diese Weise schafft Lukas eine Brücke zwischen der Verkündigungs- und Geburtserzählung. Das Magnificat lädt ein, sich wie Maria der eigenen Existenz und des Ortes des Menschen vor Gott bewusst zu machen, Gottes rettendes Handeln in der Geschichte Jesu und in der eigenen Biographie wahrzunehmen und in den Lobpreis Gottes einzustimmen.



Die Musik

Über den Ursprung der Musik gibt es verschiedenen Theorien. So glaubt man in der Nachahmung von Liebeslockrufen der Vögel, in anfeuernden Rufen bei gemeinschaftlicher Arbeit, in Jagd- und Kampfrufen, Ausrufen des Entzückens oder Totenklagen Urimpulse der Musik zu erkennen. Manches scheint dafür zu sprechen, doch sind Rufe noch nicht Musik. Erst wenn derartige Rufe sich zu Tonmotiven von bestimmter Tonhöhe festigen, können sie zu Keimzellen musikalischer Geschehens werden; erst durch gewollte Wiederholung werden sie über das bloß Triebhafte oder zufällige hinausgehoben, und erst in Verbindung mit freien oder periodischen rhythmischen und formalen Gliederungen wird aus solchen Motivketten Gesang, gestaltete Musik. Den Funden aus vorgeschichtlicher Zeit entspricht vieles, was man bei den Naturvölkern schon feststellte. Wenn man aus der musikalischen Verhaltensweise der Naturvölker Rückschlüsse zu ziehen versucht auf die Ursprünge der Musik, so ist hierbei auf jeden Fall zu berücksichtigen, dass die Kulturen der Naturvölker ontologisch denen der geschichtlich übersehbaren Gemeinschaften nicht nach-, sondern nebengeordnet sind. Sie bieten keine echte Analogie zum vorgeschichtlichen Sein etwa im Abendland, wohl aber Beispiel für andere Erscheinungsformen geschichtslosen menschlichen Seins überhaupt. Es lassen sich ergo aus der Beobachtung der Naturvölker immer nur Hypothesen über das Wesen des vorgeschichtlichen Seins aufstellen; Hypothesen, die gewisse Vorstellungen vermitteln können vom mutmaßlichen Werden menschlicher Kulturen innerhalb jener Zeiträume, die der direkten Forschung entrückt sind. Dies gilt für die Musik als Bestandteil jeder Kultur.



Die Kirchen-Musik

Ist ein zusammengesetzter Begriff. Mit ihrer Verankerung in der Liturgie erfährt sie ihre Bestimmung. Es wäre aber bedenklich, darüber die zweite Hälfte des Begriffs, nämlich »Musik«, zu schmälern. Musik ist in der Liturgie nicht nur schmückendes Element und künstlerisches Ausstattungsmittel, sondern notwendiger Bestandteil. Der feierliche Gottesdienst besteht zu wesentlichen Teilen aus Gesängen, die allein auf Grund einer falschen Entwicklung vielerorts nur als Texte gesprochen werden können. Die Liturgie soll den Menschen in seiner Gesamtheit ansprechen. Schon die Apostelbriefe (Kol 3,16; Eph 5,19 f) mahnen zum Singen und überliefern hymnische Textstellen. Seit der Zeit der frühen Kirche begleitet Musik liturgische Handlungen: Einzug, Gabenbereitung, Mahl. In den Antwortgesängen zur Lesung, im Sanctus, im Gloria wird Musik selbst zur liturgischen Handlung, selbst Liturgie, die die Gemeinde singend oder hörend nicht nur in äußerer, sondern in innerer Teilnahme vollzieht. In den melismatischen textlosen Melodien der Alleluia-Jubilen drückt sich die expressive Freude wortlos aus. Die mehrstimmige Musik Europas und die Orgel haben sich im Bereich der abendländischen Kirche zu ihrem Klangreichtum und ihrer dominierenden Stellung entwickelt. Die kirchliche Instrumentalmusik und die Orgelmusik führen gleichsam die wortlose Musik der frühchristlichen Alleluia-Jubilus fort.
Kirchenmusik umfasst den Gregorianischen Gesang, den einstimmigen Gesang in der Landessprache, die verschiedenen Arten alter und neuer mehrstimmiger Vokalmusik, die kirchliche Orgel- und Instrumentalmusik. Sie ist aus ihrer Aufgabe heraus eine funktionale Musik, kann sich aber darin nicht erschöpfen. Wenn sie in der Liturgie die ihr entsprechende Stellung von hohem Rang einnehmen soll, muss sie sich zunächst als Musik qualifizieren und bedarf der Güte der Form und Ausführung. Um den Menschen ihrer Zeit verständlich zu sein, muss sie jeweils in ihren Ausdrucksformen mit der allgemeinen Musikentwicklung Schritt halten. Denn da sie nicht nur auf Gott, sondern mit der Liturgie auch auf die Menschen hingeordnet ist, ist sie mit dem Wandel der religiösen, geistigen, musikalischen und gesellschaftlichen Einstellung eng verflochten. Da Kirchenmusik überwiegend mit dem Wort verbunden ist, ist sie in ihrer nahezu zwei-tausendjährigen Geschichte unlösbar verknüpft mit der Auseinandersetzung zwischen Musik und Sprache und deren sich ständig wandelndem Verhältnis. Ihre geschichtliche Entwicklung vollzieht sich im Spannungsfeld zwischen ihren liturgischen Aufgaben und dem Musikverständnis der Menschen in ihrer Zeit. Auch losgelöst von ihrer eigentlichen Bestimmung ist sie als religiös, als geistliche Musik außerhalb des Gottesdienstes Ausdruck des Menschen und seiner religiösen Haltung in seiner Zeit. Wenn Kirchenmusik echte Kunst ist, kann sie auch außerhalb der Liturgie als Musik bestehen. Die Kirche ist daher der Pflege der geistlichen Musik, der Kirchenmusik im weiteren Sinne, auch außerhalb der eigentlichen Liturgie verpflichtet. Nach den Worten der Liturgiekonstitution des zweiten Vatikanums stellt die überlieferte Musik der Gesamtkirche einen Reichtum von unschätzbarem Wert dar der mit größter Sorge bewahrt und gepflegt werden soll (LK 112 und LK 114).
Wir leben in einer Zeit, in der uns die Schätze einer Überlieferung aus vielen Jahrhunderten offen stehen. Wir erleben aber heute auch ein Aufbrechen zu neuen Wegen, eine Öffnung gegenüber der eigenständigen Musiküberlieferung der Völker (LK 119). Dies ist ein entscheidender Umbruch insofern, als der Schwerpunkt nicht mehr auf der Tradition und der Ausrichtung auf einen bestimmten Stil liegt, sondern zu einer Neubesinnung führt auf die Aufgaben der Musik in der Liturgie, in der Seelsorger, Musiker und Gläubige eng zusammenwirken.

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