Lumen Tenebris | Konzept

Glaubensweg



Abb.: »Glaubensweg«;
Bamberger Dom


Zur Eröffnung

Sehr geehrter Herr Erzbischof,
Sehr geehrte Damen und Herren,

über die Brücke der Sinne weiß sich der Mensch mit der Welt der geschaffenen Dinge und der Schöpfung verbunden. Aristoteles bezeichnete die fünf primären Sinne: sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen als das Fenster der Seele nach außen. Über diese Seelenfenster erfahren wir etwas von Gott. Die Welt unserer Sinneswahrnehmung ist eine Welt der Hinwendung, der Begegnung und des Dialogs; sie verlangt, dass wir uns selber dabei zurücknehmen und vergessen können, um auf die innere Stimme dessen, was ist und geschieht, zu hören. Der Weg der Sinne weist von außen nach innen, vom Rand zur Mitte, von der Erscheinung zum Wesen und Geheimnis. Sinnenhaft erfahren wir Gott, sinnhaft müssen wir den Glauben lernen und in uns aufnehmen. Die Tatsache, dass der Glaube bei vielen Menschen unserer Zeit nur schwer ankommt, gründet nicht nur in dem Umstand, dass er eine heute oft nicht mehr verständlichen Sprache spricht und sich zum Teil überkommener Symbole bedient; die so genannte Sprachlosigkeit des Glaubens hängt zu einem Großteil auch mit dessen Entsinnlichung zusammen. Wir haben oft den Glauben von der Welt unserer Sinne getrennt. Dabei ist es doch so, dass Sinnlichkeit und Sinnesfreude in der Bibel charakteristische Schlüsselbegriffe sowohl für das Lebens- wie auch für das Glaubensgefühl des Menschen sind, wenn es heißt: »Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was wir mit unseren Händen angefasst haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens« (1 Joh 1,1) Und: »Dein Auge gibt dem Körper Licht. Wenn die Auge gesund ist, dann wird auch dein ganzer Körper hell sein […] Wenn dein ganzer Körper von Licht erfüllt und nichts Finsteres in ihm ist, dann wird er so hell sein, wie wenn die Lampe dich mit ihrem Schein beleuchtet.« (Lk 11, 34–36)

Der Vorgang des Sehens gleicht dem Wunder der Schöpfung. Es ist das Auge, durch das wir das Licht empfangen. Unser Auge »sieht« mehr, weiter und tiefer; es vermag zu schauen. Es bleibt bei dem, was es wahrnimmt nicht stehen; es sieht nicht nur, es schaut, es schaut an und durch, es betrachtet und verweilt bei dem, was es sieht. Dabei kommt es zu einer Begegnung, zu einem Gespräch und Austausch. Erst darin fängt das Geschehen an, für den Betrachter zu existieren, für ihn da zu sein. Das ist eine neue Dimension oder Ebene der Weltanschauung, der Welterfahrung, der Glaubenserfahrung. Der Weg vom Schauen zum Glauben ist somit nicht weit. Der Schauende sieht tiefer und reicht darin den Glaubenden die Hand. Wir reden heute fast nur noch von der Last, der Dunkelheit oder Krise des Glaubens. Damit aber unterschlagen wir die nicht wenig wichtige und legitime Erfahrung, die von den erleuchteten Augen unseres Herzens im Glauben spricht. Zum Glauben gehört die Verheißung: »Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht« (Lk 10, 23) und das Bekenntnis: »Meine Augen haben das Heil gesehen« (Lk 2, 30). Der Glaube schenkt neue Augen, zündet Lichter an, er enthält eine neue Lebens- und Weltsicht, er lehrt das Dasein, die Menschen und die Schöpfung in einem anderen als gewohnten Licht zu sehen.

Ich möchte Ihnen jetzt nicht sagen, was Sie an den einzelnen Stationen sehen sollen. Machen Sie sich bitte ein eigenes Bild.

Ich möchte aber kurz auf die verwendeten Farbspektren dieser Installation eingehen.

An allen Stationen wurde und sollte nichts grundsätzlich Neues erschaffen werden, sondern die bestehenden Kunstwerke in diesem herrlichen Kirchenraum sollten in ein anderes Licht gerückt werden.

Für diese Installation haben ich zwei Farbspektren als Programm in den Mittelpunkt gerückt: Das Orange mit Farbschattierungen bis hin ins Rot hinein und das Blau mit Farbschattierungen ins Violet hinein.

Orange und Rot

Diese Farbspektrum strahlt Wärme und Geborgenheit aus. Orange ist die Farbe des Sonnenaufgangs und Sonnenuntergangs, das Rot ist die Farbe des Blutes, des Lebenssaftes, Rot steht für das Herz und die Liebe und für das verzehrende Feuer. In der kath. Tradition wird das Rot als liturgische Farbe für den Heiligen Geist und die Märtyrer verwandt. Geborgenheit und Liebe: Gott wendet sich den Menschen zu. Überall dort, wo dieser geborgene und liebende Aspekt im Credo erscheint wurde dieses Farbspektrum in unterschiedlichster Intensivität installiert.

Blau

Das zweite Farbspektrum, das Blau ist eng mit der Vorstellung von Weite, Freiheit, Wasser und Himmel verbunden. In der kath. Tradition ist das Blau zwar keine liturgische Farbe, wird aber seit dem 14. Jahrhundert mit der Gottesmutter Maria eng in Verbindung gesetzt. Hier hat das Blau den Charakter von Reinheit und Makellosigkeit. Gott schenkt uns in der Taufe und durch die Auferstehung Jesu tiefgehende Freiheit und Erlösung. Violett, die Mischung von Blau und Rot, wird in dieser Installation an der Kreuzigungsgruppe als klassische Passionsfarbe eingesetzt. Dort wurden auch drei sanft gewölbte Stoffbahnen installiert. Hier ist der Ort an dem sich Gott den Menschen völlig hingibt in grenzenloser Liebe. Diese Geborgenheit schaffenden Stoffbahnen bilden den Gegenpol zur Ostapsis, die eher streng auf die Besucherinnen und Besucher wirkt.

Weiß

Jesus sagt von sich selber: »Ich bin das Licht der Welt«. Im weißen Licht sind alle Farben enthalten. Entschlüsselt man diese so sieht man das gesamte Farbspektrum des Regenbogens. Nicht sichtbar und doch beinhaltet es alles. An einigen Stationen wurde das weiße Licht aufgeschlüsselt, das Licht der Welt wird sichtbar und zeigt sich in seiner gesamten Schönheit und Sie werden sehen, wie eng diese Aufschlüsselung vom Orange ausgeht.

Zusammenfassung

Ich möchte Sie herzlich dazu einladen diesen Glaubensweg zu gehen, die Texte zu lesen und die Kunstwerke neu für sich zu entdecken. Entzünden Sie, vielleicht verbunden mit einem Gebetsanliegen eine Kerze an der letzten Station und schreiben Sie Gedanken, Gebetsanliegen dort auf die bereitliegenden Bahnen und werden Sie so selber zu einem kleinen Stück dieser Lichtinstallation. Ich bedanke mich, dass mir die Möglichkeit gegeben wurde an diesem Glaubensweg mitarbeiten zu dürfen. Mit einem Zitat von dem schon leider verstorbenen Aachener Bischof Dr. Klaus Hemmerle möchte ich Enden. »Ich wünsche uns Osteraugen, die im Tod bis zum Leben, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Herrlichkeit, im Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im Ich bis zum Du zu sehen vermögen.« Das ist die österliche Sehkraft und Reichweite der Augen des Glaubens, die ich Ihnen und allen Besucherinnen und Besuchern von ganzem Herzen wünsche. (Stefan W. Knor)

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