Lumen Tenebris | Konzept

Gesichter – Landschaften der Seele



Abb.: »Gesichter – 
Landschaften der Seele«;
St. Foillan, Aachen



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Die Idee

Unter diesem Thema greift die Installation das aktuelle Thema der Menschenwürde auf und führt es mit dem biblischen »Gottes Ebenbild« auf die spirituellen Wurzeln des abendländischen Menschenbildes zurück. Der Projektbeitrag zur 6. Nacht der offenen Kirchen in Aachen möchte bei den Besuchern den heiligen, unantastbaren Kern der eigenen Person ins Bewusstsein rufen und die daraus resultierende Unantastbarkeit der Menschenwürde jedes einzelnen. In der ersten Schöpfungsgeschichte (Gen 1, 1 – 2, 4) wird der Mensch ausdrücklich als Ebenbild Gottes bezeichnet. Das bedeutet nach damaligem Verständnis:

1. Der Mensch soll in der von Gott geschaffenen Welt Gottes Vertreter sein und darin in seinem Sinne und Auftrag Herrschaft ausüben.

2. Das Wesen des Menschen ist von Gottes Geist und Willen bestimmt.

Als Abbild Gottes hat der Mensch zu Gott eine besondere Verbindung – übrigens auch nach der Vertreibung aus dem »Paradies« –, denn von einem Verlust der Ebenbildlichkeit durch den »Sündenfall« ist im Alten Testament nichts ausgesagt.

Für Christen wurzelt die Menschenwürde zwar nicht ausschließlich, aber doch wesentlich in der Gottebenbildlichkeit. Das Leben und die »einzigartige Würde des Menschen« werden als Gottes unantastbare Gaben angesehen und geachtet.

»Der Mensch verdankt sein Sein als Person der vorbehaltlosen Anerkennung durch Gott, die zur wechselseitigen Anerkennung der Menschen untereinander verpflichtet. In christlicher Sicht verdankt sich personales Sein der schöpferischen Kraft der Liebe Gottes, die sich den Menschen zum personalen Gegenüber erschafft, und zwar in jedem neuen Werden eines Menschen.«

Tatsache ist allerdings, dass der Mensch seine Gottebenbildlichkeit bei sich selbst und anderen nur wenig und manchmal gar nicht wahrnimmt; vielmehr scheint sein Aussehen und Verhalten dieser Behauptung sehr oft geradezu zu widersprechen; z. B. wenn er andere foltert, mordet, Kriege führt, die Umwelt und auch sich selbst mutwillig zerstört.

Die meisten Theologen und Philosophen halten heute den Tatbestand der Vernunft, die als eine notwendige Voraussetzung zur Unterscheidung von Gut und Böse gilt, für ein unverzichtbares Kriterium der Ebenbildlichkeit. So z.B. der Heidelberger Theologe Prof. Dr. Gerd Theißen,  der sowohl die Vernunft als auch die Freiheit (der Entscheidungsmöglichkeit) als unabdingbare Kriterien der Ebenbildlichkeit anführt. Philosophisch wird auch der Begriff der Selbstachtung eingebracht. Die unauflösliche Einheit von Menschenwürde und Vernunft, Entscheidungsfreiheit sowie Selbstachtung trifft wohl im Regelfall zu, eine kategorial unbedingte Verbindung zwischen ihnen besteht jedoch nicht. Da beispielsweise einem Säugling, einem Komapatienten oder einem geistig Schwerstbehinderten, geschweige denn einem Embryo, nicht das gleiche Maß an Entscheidungsfreiheit oder Inanspruchnahme von Selbstachtung zukommen kann wie einem nicht beeinträchtigten Erwachsenen, muss es logischerweise verschiedene Phasen bzw. Stadien bei der Umsetzung der Menschenwürdekriterien geben. Im Neuen Testament wird nur Christus als Ebenbild Gottes bezeichnet (Heb 3/2. Kor 4, 4); der Mensch wird (wieder) Bild Gottes, wenn er Christus nachfolgt, d.h. ihm ähnlich wird (2. Kor 3, 8).  Die Gottebenbildlichkeit des Menschen lässt sich also nur durch den Glauben wahrnehmen und Wahr machen.

Darin liegen Chance und Herausforderung zugleich: Wer damit rechnet, wird den Menschen nicht nur aus sich selbst heraus und nach seinem Aussehen und Verhalten bewerten, sondern nach mehr fragen. Aber auch Menschen, die nicht an Gott glauben, können auf die in dem Glaubenssatz vom »Ebenbild« liegende Frage eingehen: Gibt es eigentlich noch eine andere Wirklichkeit als die des Menschen selbst und seiner Umwelt, von der her er sich und andere verstehen und bewerten kann? Der Glaube an die Gottebenbildlichkeit des Menschen hat jedenfalls ganz praktische Auswirkungen. So soll der jüdische Rabbi Hillel einmal das Baden als gutes Werk bezeichnet haben, da er mit seinem Körper ja das Ebenbild Gottes pflege. Wer so im Umgang mit sich selber denkt, wird das Ebenbild Gottes auch in anderen Menschen sehen. Es lohnt sich, einmal für sich oder zusammen mit anderen sich bewusst zu machen, was es heute ganz konkret bedeutet:

Der Mensch als Ebenbild Gottes


Frontale schwarz-weiß Portraitfotografien vom Kind bis zum Greis wurden überdimensional auf vier Leinwänden im Kirchenraum projiziert. Dabei erhält das vielfach missbrauchte Abbild im Kontext des Kirchenraumes vor Gott seine Authentizität zurück und entfaltet in der Schlichtheit der Mittel seine Wirkung als »Landschaft der Seele«. Wie bei allen anderen vorangegangenen Projekten sollten die BesucherInnen die Installation interaktiv mitgestalten. Jeder Besucher erhielt beim Eintritt in die St. Foillan Kirche ein Stück feuchten Ton und eine Kerze. Er wurde aufgefordert seinen Fingerabdruck als Zeichen seiner eigenen Individualität in dem Tonstück zu hinterlassen und diesen mit seiner Kerze am Altar, dem Zentrum der Kirche zu hinterlegen. Er erinnert sich an seine eigene Gottebbenbildlichkeit, seine Würde und an seine Sterblichkeit. Er erkennt aber auch, dass er nicht alleine ist auf seinem Weg ist, wenn er seinen Abdruck zu den der anderen Besucherinnen und Besucher einreiht. Zusätzlich wurden auf die Stirnseite des nördlichen Seitenschiffes eine Fülle von Bibelzitaten, die sich mit dem Thema: »Mensch« und »Angesicht« befassen/auseinandersetzten projiziert.

Gesichter – Landschaften der Seele

Das Gesicht eines Menschen wird geprägt durch seine Umwelt, seinen Lebensbedingungen, durch sein Alter und durch Erfahrungen. Sowohl Freude, als auch Leid: nirgends lassen sich solch elementare Erfahrungen besser ablesen als im Gesicht eines Menschen. Das Gesicht ist ebenso wie der Fingerabdruck einzigartig, individuell und drückt die Einzigartigkeit des Geschöpfes Mensch aus. Eben ein ganz besonderer Gedanke Gottes. Dadurch wird auch die Wertigkeit, dass »Gewollt-Sein«  und die Würde jedes einzelnen symbolisch dargestellt.
 
Im Juli 2006 haben sich 180 Menschen in Aachen von den Fotografen Simone Verfürth und Markus Vahle für diese Installation fotografieren lassen. Der bekannte Aachener Fotograf Klaus Herzog hat aus seinem Archiv internationale Portraits zur Verfügung gestellt und damit die Installation ergänzt. Diese »Abbilder« wurden an den verschieden Orten wechselnd klar und/oder mit anderen Bildern übereinander geschoben, gezeigt. Dazu erfüllte meditative Musik den Sakralraum, der durch eine dezente Ausleuchtung zusätzlich in seiner spirituellen Dimension verstärkt wurde.

Herzlich danke ich den Fotographen und Herr Thomas Junold für ihre Unterstützung bei diesem Projekt danken!

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